Zertifizierung von Erzeugungsanlagen – nötig, aber zu teuer?

Ein neues Positionspapier des BDEW wirbt für „Institutionalisierten Austausch“

Die erneuerbaren Energien liefern einen (weiter) steigenden Beitrag zur Energieversorgung. Innerhalb von nur etwas mehr als 30 Jahren sollen bereits 80% des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen. Das ist gewünscht, gewollt und im EEG so festgeschrieben.

Will man Erzeugungsanlagen an das Nieder- Mittel- oder Hochspannungsnetz anschließen, gelten bei den einzelnen Netzbetreibern unterschiedliche Vorgaben. Sie richten sich nach der Leistung, die eine Erzeugungseinheit zur Verfügung stellt und nach der Art des Netzverknüpfungspunktes. Für das Niederspannungsnetz sind die Anforderungen in der VDE-Anwendungsregel VDE-AR-N-4105 festgeschrieben, für das Anschließen von EZE ans Mittelspannungsnetz gilt die BDEW-Richtlinie “Richtlinie für Anschluss und Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen am Mittelspannungsnetz“. Letztere gelten sowohl für Anlagen unter einer Leistung von 100 Kilowatt als auch größer 100 kW.

In den Jahren zwischen 2004 und 2014 ist zudem die in der Hochspannungsebene installierte Leistung stark gestiegen. Deshalb wurden auch hier die Technischen Anschlussbedingungen angepasst. Gültig sind die neuen TAB seit dem 1. Januar 2015. Die Erzeugungsanlagenbetreiber haben insgesamt zwei Jahre Zeit sie umzusetzen, also bis zum 1. Januar 2017.

Kern der neuen technische Anschlussregeln für die Hochspannung (VDE-AR-N 4120) ist, dass die EZA sich stärker systemstützend verhalten.

Aber: Die Netzinfrastruktur ist nicht für eine überwiegend dezentrale Einspeisung angelegt und gerät zunehmend an ihre Grenzen.

Beide, Anlagen- wie Netzbetreiber, müssen mit einer schwankenden Stromproduktion kalkulieren und diese an wechselnde Bedarfe anpassen. Die dezentralen Einheiten müssen so zuverlässig wie möglich funktionieren und Störungen sollen möglichst lokal begrenzt bleiben, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

So leitet der BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.) den Entwurf zu seinem aktuellen Positionspapier „Zertifizierung von Erzeugungsanlagen im Anschluss ans Stromverteilungsnetz Berlin“ ein.

Alle netzverträglich?

Basis der sicheren Stromversorgung ist die sogenannte „Netzverträglichkeit“. Dazu muss eine dezentrale Erzeugungseinheit einem komplexen technischen Normen- und Regelwerk der Branche entsprechen, das sich inzwischen als ein Quasi-Standard etabliert hat. Seit 2009 sind sowohl Hersteller als auch Betreiber verpflichtet die Netzverträglichkeit ihrer Anlagen von einem unabhängigen Prüfinstitut zertifizieren zu lassen.

Herauskommt dann für den Hersteller ein sogenanntes „Einheiten-Zertifikat“, das für jeden Anlagentyp erstellt werden muss. Und für den Betreiber ein sogenanntes „Anlagenzertifikat“, das projekt- und anlagenspezifisch vergeben wird. Dieses Einheitenzertifikat weist insbesondere die elektrischen Eigenschaften der Erzeugungseinheit aus und das Anlagengutachten die elektrischen Eigenschaften der Erzeugungsanlage.

Ein solches Zertifikat, das der Anlagenbetreiber über eine zugelassene Zertifizierungsstelle bekommt, bestätigt anhand von etwa 50 Kriterien, dass die Elektroplanung netzkonform ist. Der Zertifizierer führt die Daten des Herstellers mit den Informationen des Netzbetreibers zum Netzanschlusspunkt zusammen. Neben der reinen Analyse, werden auch komplexe Simulationen zum elektrischen Verhalten einer Anlage durchgeführt. Der Bewertungsbericht fasst die abschließend zusammen. Fällt er positiv aus, wird ein entsprechendes Anlagenzertifikat ausgestellt. Der Zertifizierungsprozess wird mit einer Begehung vor Ort abgeschlossen und eine EZA-Konformitätserklärung ausgestellt.

Eine dieser auch vom FGW e.V. (Fördergemeinschaft Windenergie und andere Erneuerbare Energien e.V.) gelisteten Zertifizierungsstellen ist beispielsweise der TÜV Süd. Zu den Basiskriterien, die das Institut listet, um eine Netzverträglichkeit nachzuweisen, gehören:

  • Kurzschlussfestigkeit, Dauerstrombelastbarkeit und Schaltvermögen der Hauptkomponenten
  • Einspeisewirkleistung
  • Netzrückwirkungen wie schnelle Spannungsänderungen, Langzeitflicker, Oberschwingungen und Zwischenharmonische
  • dynamische Netzstützung
  • Kurzschlussstrombeitrag
  • Wirkleistungskonzept
  • statische Blindleistungsbereitstellung
  • Zuschaltbedingungen und Entkupplungsschutz

Der Zertifizierungsprozess von Windenergieanlagen läuft grundsätzlich zweistufig ab:

  • Erste Stufe: Das Anlagenzertifikat (Planungszertifikat)
  • Zweite Stufe: die EZA-Konformitätserklärung

Bei größeren Windparks beziehungsweise in Mischwindparks empfiehlt es sich mit Hilfe eines erfahrenen Zertifizierers vorab eine Netzstudie durchzuführen.

Hier werden dann schon bei der Planung Kriterien untersucht wie:

  • Verlustbewertungen
  • Lastfluss- und Kurzschlussberechnungen
  • dynamischen Berechnungen
  • Beurteilung von Netzrückwirkungen
  • Nachweis des Blindleistungsvermögens.

Aus den technische Richtlinien sowie dem Normen und Regularien ist inzwischen ein schier undurchdringlicher Anforderungskatalog entstanden. Dazu kommt der stetige Innovationsdruck, der auf Herstellern und Betreibern lastet, wollen sie überhaupt wettbewerbsfähig sein und bleiben.

Standards haben ihren Preis, aber wer zahlt DEN?

Seit 2009 hatten Prüfinstitute und Verbände reichlich Gelegenheit, mit solchen Zertifizierungsprozessen Erfahrungen zu sammeln. Das wenig überraschende Ergebnis: Viele Erzeugungsanlagen sind derzeit nicht oder noch nicht in der Lage den umfangreichen Anforderungskatalog zu erfüllen. Der aber gewährleistet erst Netzverträglichkeit und bildet die Grundlage für die Versorgungssicherheit. Der einzelne Betreiber oder Hersteller erhält eine Einspeiseerlaubnis.

Teil nur, wenn er das Anlagenzertifikat vorlegt. Sobald er auch die erhaltene Konformitätserklärung vorlegt, hat der Betreiber dann Anspruch auf Vergütung gemäß EEG.

Wer aber trägt die Kosten für die Netzverträglichkeitsprüfungen? Und ist die bisherige Praxis rechtens?

Die Clearingstelle EEG hat dazu die Ergebnisse eines Hinweisverfahrens veröffentlicht. Die Leitsätze des Rechtshinweises im Detail:

  1. Das „Netzanschlussbegehren“ ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Einspeisewilligen gegenüber dem Netzbetreiber. Ein nachvollziehbares Investitionskonzept, entsprechende Genehmigungen etc. vorzulegen ist nach Ansicht der Clearingstelle aber nicht Voraussetzung für ein Netzanschlussbegehren.
  2. EEG 2009 und EEG 2012 regeln keinen Zahlungsanspruch eines Netzbetreibers gegen Einspeisewillige und Anlagenbetreiber. Die Netzverträglichkeitsprüfung stellt dementsprechend keine Netzanschlussmaßnahme dar wie sie in den einschlägigen Paragrafen des EEG definiert ist.
  3. Der Netzbetreiber kann kein Entgelt für die Ermittlung der Anschlussfähigkeit verlangen.
  4. Zwar muss der Netzbetreiber das Ergebnis der Prüfung übermitteln, nicht aber die Prüfung selbst. Denn „Die Netzverträglichkeitsprüfung zählt weder zu den für die Prüfung des Verknüpfungspunktes benötigten Informationen noch zu den Netzdaten i. S. v. § 5 Abs. 6 EEG 2009/EEG 2012 (Rn. 82 ff.).
  5. Diese Übermittlung muss unentgeltlich vom Netzbetreiber an den Anlagenbetreiber erfolgen.
  6. Und: Informationspflicht und Pflicht zur Ermittlung des Verknüpfungspunktes aus dem EEG bestehen für den Netzbetreiber unabhängig davon ob ein Vertrag abgeschlossen wird oder nicht. Und auch eine entgeltliche Durchführung der Netzverträglichkeitsprüfung verstößt gegen das Abweichungsverbot in § 4 Abs. 2 Satz 1 EEG 2009/EEG 2012 (Rn. 97 ff.).

Soweit die Clearingstelle EEG. Den gesamten Wortlaut des entsprechenden Rechtshinweises können Sie hier nachlesen.

Trotzdem schwelt der Konflikt in Sachen Netzanschlussregeln: Die Netzbetreiber führen ins Feld, dass sie einen zuverlässigen Netzbetrieb sicherzustellen haben, Hersteller und Betreiber fordern angemessene Kosten.

Das Positionspapier des BDEW will die Beteiligten wieder an einen Tisch bringen.

BDEW Positionspapier: „Handlungsempfehlung: Institutionalisierter Austausch aller Beteiligter“

Laut Ansicht des BDEW ist eine nationale gesetzliche Vorgabe nötig, will man Anlagenzertifizierung gemäß den Technischen Anschlussregeln des VDE|FNN umsetzen. Der NC RfG – der Network Code on Requirements for Generators – lässt offen (so das Positionspapier des BDEW), ob damit das oben beschriebene Anlagenzertifikat wie es in Deutschland genutzt wird gemeint ist. Der Verband vertritt die Ansicht, dass man diese Praxis gleichberechtigt für alle EZE zugrunde legen und weiterentwickeln sollte. Die Zertifizierung ab einer bestimmten Anlagengrößenordnung sollten autorisierte Zertifizierungsstellen und Institutionen übernehmen. Und das sollen die Netzbetreiber auch verlangen können. Dazu käme, will man dem Vorschlag des BDEW folgen, ein regelmäßiger „Anlagen-TÜV“ über die gesamte Betriebsdauer einer EZE hinweg.

Will man vermeiden, wie es in der Vergangenheit schon häufig vorgekommen ist, dass Anlagen nachträglich teuer und zeitintensiv aufgerüstet werden, müssen sich alle Beteiligten auf institutionalisierter Ebene „für die Abgrenzung technischer Anschlussbedingungen und die Ausgestaltung des Konformitätsnachweises“ austauschen. Hier soll es im Idealfall darum gehen Vorschläge zu erarbeiten wie man die Netzverträglichkeit und die netztechnische Überprüfung in regelmäßigen Abständen sicherstellen kann ohne für die Betreiber und Hersteller unzumutbare Kosten zu verursachen.

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