Wer zahlt (für) die Energiewende?

Neue IW-Studie besagt, dass die Energiewende für deutsche Stromkunden immer teurer wird.

Die Energiewende kostet. Aber wen sie wie viel kostet, darüber streiten Politik, Lobbyisten, Fachleute, Betreiber, Vermarkter, Wirtschaftswissenschaftler, Ingenieure und auch Medienvertreter sind ganz und gar nicht einer Meinung. Eine aktuelle Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft kommt zu dem Schluss, dass die Energiewende den deutschen Stromkunden teuer zu stehen kommt. Noch teurer als prognostiziert. Insgesamt seien es 28 Milliarden Euro, die Deutschlands Stromkunden für das Gelingen der Energiewende aufbringen müssen.

Die vom Handelsblatt in Auftrag gegebene Studie berücksichtigt bei ihren Berechnungen

  • die Kosten, die durch die Förderung der erneuerbaren Energien entstehen
  • die Kosten für den Netzausbau
  • die zusätzliche Förderung der Kraft-Wärme-Koppelung
  • und die Aufwendungen, die entstehen, um eine Kapazitätsreserve aufzubauen.

Reflexartig reagieren beispielsweise der BDI und die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union. Deren Chef, Carsten Linnemann, lässt sich im Handelsblatt wie folgt zitieren „Die Folgen der Energiewende entwickeln sich zu einem bedrohlichen Standortnachteil, der Investoren abgeschreckt und Arbeitsplätze kostet.“ Damit nicht genug sollen nach Angaben der Bundesnetzagentur 57 konventionelle Kraftwerke abgeschaltet werden, weil sie sich nicht mehr rentabel betreiben ließen. Soweit die Vorlage.

Der FDP-Politiker Dr. Hermann Otto Solms hatte sich zum Thema vor etwas mehr als einem Monat unter der Überschrift „Immer zahlt der Stromkunde: Die vier zentralen Fehler der deutschen Energiepolitik“ ebenfalls zu Wort gemeldet:

  1. der Netzausbau kommt nicht voran
  2. Speichermöglichkeiten für die fluktuierende Einspeisung der Erneuerbaren fehlen
  3. die Energiewende ist nationales Klein-Klein
  4. die EEG-Umlage und das Subventionssystem sind der komplett falsche Ansatz

EEG-Reform 2014 – oder: wie angemessen ist angemessen?

Im Laufe der letzten Jahre sind die Produktions- und Technologiekosten für die erneuerbaren Energien insgesamt gesunken und der Marktanteil gestiegen. Die EEG-Reform 2014 hat als eines der wesentlichen Ziele, den Kostenanstieg zu bremsen. Unter anderem ist festgeschrieben, dass die Vergütung für neue Anlagen sinkt und spätestens 2017 die Förderhöhe über Ausschreibungen festgelegt werden soll. Alle Stromverbraucher (also die eingangs erwähnten gebeutelten Stromkunden) beteiligen sich angemessen an den Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien. So sieht das jedenfalls die Bundesregierung in ihrer „Bilanz zur Energiewende 2015“.

Und über genau dieses „angemessen“ lässt sich trefflich streiten.

Dazu drei Anmerkungen und Thesen:

  •  Wir meinen, dass der Strom für private Haushalte immer teurer wird, weil mehr Firmen von den Umlagen befreit werden. Und zwar auch dann, wenn sie keinen erhöhten Energiebedarf haben.
  • Windkraftanlagen müssen immer häufiger abgeschaltet werden, weil aktuell zu viel Leistung im Netz vorhanden ist. Die großen Energiekonzerne als Platzhirsche wollen die Leistung ihrer Großkraftwerke nicht (noch) weiter reduzieren und weitere Gewinneinbußen riskieren.
  • Und gerade für die erneuerbaren Energien spricht, dass insbesondere mit den Energiequellen Wind und Strom diese Kraftwerke bei der Stromproduktion niedrigste Gestehungskosten haben.

Wer profitiert vom Ökostrom-Rabatt?

Erstmals waren die erneuerbaren Energien im vergangenen Jahr prozentual die wichtigsten Quelle im deutschen Strommix. An der Strombörse in Leipzig fallen die Preise und der Stromverbrauch sinkt. Von den sinkenden Strompreisen an der Börse bekommen aber die privaten Haushalte im Gegensatz zu industriellen Großkunden nicht viel mit. Denn diese sinkenden Preise werden nicht an den privaten Endverbraucher weitergegeben. Mehr zum Thema Stromhandel und Preisgefüge finden Sie hier.

Was nun nicht unbedingt in der Natur der erneuerbaren Energien und der Energiewende als solcher liegt.

Bereits 2012 hat SPON einen Artikel veröffentlicht, dass Firmen bei der Ökostrom-Abgabe gerne auch mal tricksen. Die Ausnahmen für die energieintensiven Industrieunternehmen führten offensichtlich zu einer stetig steigenden Zahl an Anträgen. Aber auch die Liste der berechtigten Unternehmen verursacht beim Lesen eher Kopfschütteln als ungeteilte Zustimmung. Da finden sich nämlich neben Branchen wie der Aluminium- und Stahlindustrie auch Milchbetriebe, Tierfutterhersteller, Mineralwasserabfüller, Bäcker und Firmen, die selbst Teil der Energiewende sind wie beispielsweise Hersteller von Brennmaterial für Pellet-Heizungen.

Damit nicht genug soll es Unternehmen geben, die ihren Energie- und Strombedarf künstlich und ganz bewusst in die Höhe getrieben haben. Und allein die Tatsache, dass es ein Rechtsgutachten des Umweltministeriums gibt, in dem nicht-berechtigten Unternehmen eine „gesteigerte Kreativität“ bescheinigt wird, spricht wohl für sich. Erlaubt ist das alles natürlich nicht, prüfen müssen es aber die privaten Netzbetreiber. Die Veränderungen halten sich also erwartungsgemäß in Grenzen. Die Süddeutsche Zeitung zitiert eine Studie nach der die Stromkosten für etwa 92% der deutschen Hersteller mit nur 1,6% des Umsatzes zu Buche schlagen und bei „Schienenbahnen“ (die auch unter die EEG-Umlage fallen) an Kunden weiter gegeben werden könnten, ohne ein Unternehmen gleich komplett wettbewerbsunfähig zu werden.

Bereits im letzten Jahr wurden deshalb die Forderungen lauter doch besser zu prüfen bei welchen Branchen überhaupt ein allgemeines Interesse an der Förderung bestehe. Und auch die EU beschäftigt sich mit dem Thema potenziell wettbewerbsverzerrender Unternehmensrabatte.

Abschalten erwünscht?

Durch das Zubauen von Erzeugungsanlagen der erneuerbaren Energien sind die konventionellen Anlagen und Großkraftwerke unter Druck geraten.

Und sicherlich hat die Subventionierung dazu beigetragen, dass die Großhandelspreise derart gefallen sind. Wir sagten es schon: Rabatte, die nicht unbedingt bei den privaten Haushalten ankommen.

Es kommt also gar nicht so selten vor, dass Windkraftanlagen zugunsten der Einspeisung durch Großkraftwerke abgeschaltet werden. Eine Methode der großen Betreiber, die Großkraftwerke nicht noch unwirtschaftlicher werden zu lassen. Aber die Rentabilität ist nicht das einzige Bewertungskriterium. Sind Großkraftwerke „systemrelevant“ für die Netzstabilität – so hat es beispielsweise 2014 die Bundesnetzagentur im Fall EnBW entschieden – dürfen sie gar nicht abgeschaltet werden (auch dann nicht, wenn sie unrentabel sind). Ebenso spielt der schleppende Netzausbau eine Rolle. Wenn beispielsweise Überkapazitäten aus Norddeutschland, wo besonders viele Windräder stehen, nicht nach Süden transportiert werden können, weil die notwendigen Leitungsnetze nicht zur Verfügung stehen. Der Ausbau des Stromnetzes hinkt also weiter hinterher.

Gestehungskosten Wind? Gegen Null

Stromgestehungskosten sind die Kosten, die für die Umwandlung einer Energieform in elektrischen Strom notwendig sind und die in der Regel in € pro Megawattstunde angegeben werden. Dabei ergeben sich die Gestehungskosten aus Kapitalkosten, den Betriebskosten, den Brennstoffkosten und der angestrebten Kapitalverzinsung. Und natürlich sind die Gestehungskosten für die verschiedenen Kraftwerkstypen unterschiedlich.

„Für erneuerbare Energien können die Stromgestehungskosten näherungsweise in Höhe der mittleren gesetzlichen Einspeisevergütung abzüglich des kalkulatorischen Gewinns des Betreibers angenommen werden, da diese Vergütungssätze eine wirtschaftliche Umsetzung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und eine angemessene Gewinnerzielung ermöglichen.“ Bereits 2010 (!) wurde in einer Studie festgestellt, dass die Gestehungskosten für Solarstrom unter den Gestehungskosten von neuen Kernkraftwerken liegen.

Externe Kosten sind übrigens nicht im Strompreis enthalten. Nach dem Verursacherprinzip werden sie aber zusätzlich über den Strompreis erbracht. Das soll eine Wettbewerbsverzerrung zwischen konventionell und erneuerbar erzeugtem Strom ausgleichen.

Fazit

Das Fazit des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme in einer Studie zu den Stromgestehungskosten, lässt sich durchaus als grundsätzliche Prognose (und Notwendigkeit) lesen: „Bei steigenden Installationen von fluktuierenden Stromerzeugern und damit einhergehenden höheren Anteilen in der Stromversorgung wird sich das Energieversorgungssystem, d.h. das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten und der Akteure, grundlegend ändern. Dabei spielen neben den Stromgestehungskosten natürlich auch andere Faktoren bei der Analyse und Bewertung einer Technologie im Energiesystem eine entscheidende Rolle. So wird beispielsweise die Wertigkeit des Stroms an Bedeutung gewinnen, d.h. seine Verfügbarkeit zu Zeiten hohen Bedarfs, die Regelbarkeit der Anlagen und die Fähigkeit zur Übernahme von Systemdienstleistungen wie die Bereitstellung von Blindleistung oder Frequenz- und Spannungsstabilisierung.“

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